Erstellung des Interviewleitfadens

Hintergrundwissen zu Interviews und ihrer Planung:

 

Bei einem Interview handelt es sich um eine mündliche, zielgerichtete Sammlung von Informationen zwischen einem oder mehreren Interviewern und einem oder mehreren Interviewten. Es findet auf freiwilliger Basis statt und wurde von einem der Akteure aus einem bestimmten Grund gewünscht (Krumm et al., 2015). Interviews werden in vielen psychologischen Anwendungsfeldern eingesetzt, z.B. zur Eignungsdiagnostik in Organisationen, im Rahmen der Anamnese in einer psychotherapeutischen Praxis oder bei der Förderdiagnostik in pädagogischen Einrichtungen. Der Vorteil von Interviews ist, dass Informationen erhoben werden können, die mit anderen Verfahren wie beispielsweise einfachen Fragebögen nur schwierig oder gar nicht zugänglich sind. Zudem ist die hohe Flexibilität, die ein Interview bietet, ein Vorteil. So kann der Interviewer sich auf sein Gegenüber einstellen, die Fragen gegebenenfalls anpassen und bei Unklarheiten oder Widersprüchen konkrete Nachfragen stellen. Darüber hinaus kann das Verhalten des Interviewten während des Gespräches beobachtet werden und als zusätzliche Informationsquelle genutzt werden. 

Neben diesen Vorteilen, die ein Interview bietet, muss hierbei jedoch auch angemerkt werden, dass es bei dieser Methode vielfältige Fehlerquellen geben kann, die die Datengewinnung beeinflussen können. Diese können durch die Eigenschaften des Interviewten als auch durch Eigenschaften des Interviewers entstehen, sowie durch die äußeren Rahmenbedingungen der Interviewsituation und auch durch die komplexe Interaktion zwischen den Akteuren und den Rahmenbedingungen.

 

Faktoren von Seiten des Interviewten:

  • Von Seiten des Interviewten können beispielsweise Fehler bei der Wahrnehmung bestimmter Situationen entstehen. Wahrnehmungen sind selektiv und nicht immer repräsentativ. Zudem kann es zu Wahrnehmungstransformationen kommen, das bedeutet, dass der Interviewte seine Wahrnehmung einer vergangenen Situation aufgrund von bestimmten Erwartungen, Wertorientierungen, Einstellungen oder Persönlichkeitseigenschaften im Nachhinein verändert. Auch bei der anschließenden Interpretation der Ereignisse können sich beim Interviewten Deutungs- und Beurteilungsfehler einschleichen, die Wahrnehmungen nachträglich verzerren. Bis die wahrgenommenen und interpretierten Informationen abgerufen und wiedergegeben werden, vergeht in der Regel einige Zeit. In dieser Zwischenzeit kann es ebenfalls zu Reinterpretationen kommen und Gedächtnisverzerrungen können entstehen. Wenn die Informationen im Interview schließlich wiedergegeben werden, hängt ihre Genauigkeit neben Gedächtnisfaktoren auch von den Ausdrucksfähigkeiten des Interviewten ab. Auch die Voreinstellungen des Interviewten zum Beispiel in Bezug auf seine Erwartungen an das Interview und vorherigen Erfahrungen mit Interviewern spielt dabei eine Rolle. Schließlich ist noch zu erwähnen, dass auch vorsätzliche Verzerrungen (bspw. Simulation/ Dissimulation, Bagatellisierung, …) auftreten können. 

 

Faktoren von Seiten des Interviewers:

  • Auch auf Seiten des Interviewers können durch Vorinformationen  über den Interviewten (z.B. über Herkunft, Alter, Beruf, etc.)  Voreinstellungen und Erwartungen entstehen, die das Interview beeinflussen. Zudem spielen auch hier Wahrnehmungs- und Interpretationsfehler eine Rolle. So kann es passieren, dass der Interviewer bestimmten Informationen eine zu große Bedeutung und anderen Informationen eine zu geringe Bedeutung beimisst. Allgemeine Urteilsfehler wie beispielsweise  der Halo-Effekt oder der logische Attributionsfehler können entstehen und müssen berücksichtigt werden. 

 

Faktoren der äußeren Rahmenbedingungen:

  • Die äußeren Rahmenbedingungen wie der Ort (das Gebäude, die Gestaltung des Raumes, etc.) oder der Zeitpunkt (Tageszeit, Wochentag, Dauer, etc.) können die Datengewinnung ebenfalls beeinflussen und sollten daher bei der Planung berücksichtigt und überlegt ausgewählt werden. Weiterhin sollte berücksichtigt werden, dass es sich bei der Interviewsituation um eine ganz besondere Situation handelt, die bei Befragten Stress und Angst auslösen kann. 

 

Interaktion der Faktoren:

  • Neben den einzelnen Faktoren ist es wichtig, auch ihre komplexe Interaktion zu beachten. So trifft eine Frage des Interviewers immer auf eine persönliche Hypothese des Befragten, welche Antwort von ihm erwartet wird. Daraufhin modifiziert er seine Antwort, so dass sie von der eigentlichen abweicht. Diese Antwort trifft wiederum auf Hypothesen des Interviewers, usw.. Bei der Interaktion von Interviewer und Interviewten ist die Qualität der gewonnen Daten auch von dem Ausmaß abhängig, inwiefern die Sprachsysteme der beiden Akteure übereinstimmen. Hierbei spielen Faktoren wie z.B. die kulturelle Zugehörigkeit, Intelligenz, Wortschatz, etc. eine Rolle. 

 

Aufgrund der vielen möglichen Fehlerquellen ist es wichtig, ein Interview intensiv zu planen. Hierbei ist es wichtig, sich genaue Gedanken dazu zu machen, was der Forschungsgegenstand des Interviews ist, welche Personengruppe man befragen möchte und welche Interviewmethode geeignet ist. Anschließend kann man sich die ersten Gedanken zu den Interviewfragen machen. Hierbei ist es hilfreich einen Leitfaden zu erstellen.  Dabei handelt sich um einen ausformulierten Plan, wie das Interview durchgeführt werden soll. Er dient dazu, das Interview zu strukturieren und zu standardisieren und eine objektive, zuverlässige und vollständige Erhebung der Informationen zu ermöglichen. Durch einen Interviewleitfaden wird der Interviewer entlastet. Er kann sich während des Interviews besser auf die Antworten und das Verhalten des Befragten konzentrieren, vergisst nicht, wichtige Dinge abzufragen und hat für die Auswertung schon eine sinnvolle Vorlage für Notizen und die Struktur. Ein Leitfaden besteht in der Regel aus drei Teilen: der Einleitung, einem Informationserhebungsteil und einem Schlussteil. Im Einleitungsteil werden die anwesenden Personen vorgestellt, Ziele und Fragestellung des Interviews genannt, die Vorgehensweise geschildert und der Interviewte wird über seine Rechte aufgeklärt. Im folgenden Informationserhebungsteil werden innerhalb von festgelegten Themenblöcken Fragen zu den jeweiligen Themen gestellt. Im Schlussteil werden die wichtigsten Informationen schließlich zusammengefasst, gefragt, ob etwas Wichtiges vergessen wurde, ob es noch Fragen gibt und die weitere Vorgehensweise geklärt. 

 

 

 


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Ursprünglicher Interviewleitfaden (Grundschullehrkräfte)
Ursprünglicher Interviewleitfaden mit Le
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